Zu Beginn des Schuljahres besuchten wir, der evangelische Religionskurs der Q2 des Otto-Hahn-Gymnasiums, das ehemalige Gestapogefängnis in Köln. Jede Geschichte der Gefangenen war einprägsam. Doch eine Geschichte hat sich besonders in unsere Erinnerung eingebrannt: die von Hans Weinsheimer.
Text - Hans Weinsheimer
1928, Köln, Hans Weinsheimer kommt auf die Welt. Bereits als Jugendlicher ist er in den Widerstand gegen das NS-Regime involviert. Doch nicht nur er setzt sich gegen das Regime ein, auch sein Vater. Dieser ist in einer kommunistischen Widerstandsgruppe aktiv, die Flugblätter herstellt. Hans hilft oft beim Verteilen und hat zudem Kontakt zur „Bündischen Jugend“ und den „Edelweißpiraten“.
Schon in seinen jungen Jahren wird Hans von der Gestapo festgenommen und muss unzählige Wochen im Kölner Gestapogefängnis verbringen. 1944 wird er zum zweiten Mal inhaftiert und das, obwohl er keine Flugblätter bei sich hat. Dort bleibt Hans mehrere Wochen, bevor er ins „Zuchthaus Butzbach“ gebracht wird, wo er fast ein Jahr gefangen gehalten wird.
Trotz der bedrückenden Haft gibt es einen Lichtblick: Seine Mutter schafft es jeden Abend zu ihm ins Gestapogefängnis zu kommen. Durch ein Loch im Fenster können sie miteinander sprechen.
Sie schickt ihm sogar Butterbrote, die ihm die Wärter überbringen.
Dass Hans Weinsheimer in unserem Alter festgenommen wurde und das Wissen, dass ihm eine außergewöhnliche Rolle zu kam, da seine Mutter die Möglichkeit hatte, Kontakt zu ihm aufzunehmen, hinterließ ein besonders bedrückendes Gefühl bei uns. In seiner Zelle hinterließ er diese Inschrift:
„Wenn keiner an dich denkt - deine Mutter denkt an dich“
Ausgehend von diesem Zitat haben wir ein eigenes Gedicht verfasst, inspiriert von den Inschriften aus den Konzentrationslagern, welche in dem Gedichtband „Lyrik gegen das Vergessen“ veröffentlicht wurden:
Gedicht Hans
Wenn keiner an dich denkt, deine Mutter denkt an dich
Ich öffne die Augen und es ändert sich nichts Ich sehe nicht viel von Deiner Sonne
Ich sehe nicht mehr die mir vertrauten Augen
Ich werde nicht weinen
Verschlossen ist mein Herz
Und vor Qual ganz schwer
Vom Leid gehärtet zu Granit
Meine Seele ein verlassenes Gebiet >^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^ q^
Wirst du zu mir kommen
Wirst du meine Stirne küssen
Wie einst
Mutter - ich warte auf das Wunder,
Auf deine innige Umarmung,
So froh ist dann mein Herz
Wenn keiner an dich denkt, deine Mutter denkt an dich.
Die Geschichte von Hans Weinsheimer und die Inschrift, die er hinterließ, haben uns nicht nur mit der Vergangenheit konfrontiert, sondern sie regen uns auch dazu an, über unsere heutige
Gesellschaft nachzudenken.
Fast 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, gewinnen politische Strömungen wie die AfD an Macht. Die erschreckende Wiederkehr nationalsozialistischer Ideologien lässt uns innehalten und der Schicksale von Menschen wie Hans Weinsheimer umso mehr gedenken.
Im Christentum stehen Barmherzigkeit, Nächstenliebe und Solidarität im Zentrum. Diese Werte sind auch heute noch von großer Bedeutung, denn immer noch gibt es viele Menschen, die auf unsere Hilfe und unser Mitgefühl angewiesen sind. Es ist unsere Verantwortung, daran zu erinnern und diese Grundsätze in unserer Gesellschaft zu bewahren. Unsere Demokratie, die auf Freiheit und Gleichheit beruht, gibt uns die Möglichkeit, eine gerechte und menschliche Gesellschaft zu gestalten. Insbesondere nach den Ereignissen dieser Woche, die uns verängstigen, müssen wir unsere demokratischen Werte beschützen.
Wir müssen uns die Frage stellen: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Ist es eine, die auf Hass und Ausgrenzung basiert? Eine Gesellschaft erfüllt von Dunkelheit? Oder…
Wenn keiner an dich denkt, denken wir an dich: An alle Opfer der Reichspogromnacht, an alle Opfer des Nationalsozialismus, an alle Geiseln vom 7. Oktobers 2023, an alle Opfer von Krieg und Verfolgung.
Lasst uns daran erinnern, dass es selbst in den einsamsten Momenten die Hoffnung auf tiefste Verbundenheit und Wertschätzung gibt.
Wenn keiner an dich denkt, denken wir an dich.
von: Nele Berkels, Frederike Walter und Hannah Weber,