„Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das erzogen werden muss. […] Der Mensch kann nur Mensch werden durch Erziehung. Er ist nichts, als was Erziehung aus ihm macht […]. Die Erziehung ist eine Kunst, deren Ausübung durch viele Generationen vervollkommnet werden muss […]. Daher ist die Erziehung das größte Problem und das schwerste, was dem Menschen kann aufgegeben werden.“ (Kant in seinen Vorlesungen über Pädagogik, 1776-1787)
Wenn der Mensch erst durch Erziehung zum Menschen wird, wie kann die kommende Generation dann diese Aufgabe verantwortungsvoll übernehmen? Um der Beantwortung dieser Frage Rechnung zu tragen, gibt es seit über 100 Jahren Pädagogikunterricht in Deutschland.
Das Unterrichtsfach Pädagogik ist dem gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld zuzuordnen und setzt sich mit der Beschreibung, Analyse und Beurteilung von Erziehungsprozessen und der Erziehungswirklichkeit auseinander. Dabei beachtet es als interdisziplinäres Fach die Einflüsse von Soziologie, Psychologie und Philosophie und Geschichte, wenngleich das Erzieherische immer im Fokus steht.
Der folgende Auszug aus dem Kernlehrplan NRW für das Fach Erziehungswissenschaft in der gymnasialen Oberstufe beschreibt in deutlichen Worten, warum der Aufbau und die Förderung einer reflektierten pädagogischen Kompetenz gerade auch in unserer heutigen Zeit so wertvoll ist:
„Auf Erziehung und Bildung ist jedes Individuum und jede Gesellschaft angewiesen, daher werden diesen Prozessen Schlüsselfunktionen für die gesellschaftliche Entwicklung einschließlich der Bewältigung von Problemlagen zugewiesen. In demokratischen Gesellschaften zielen Erziehung und Bildung auf die Fähigkeit des Einzelnen ab, auf der Grundlage von Mündigkeit sein Leben zu gestalten und an sozialen sowie kulturellen Prozessen aktiv zu partizipieren. Gesellschaftliche und geschichtliche Entwicklungen wie Individualisierung sowie Globalisierung geben den Anstoß, Bedingungen individueller Entfaltung in sozialer und auch interkultureller Verantwortung zu reflektieren. Modernisierungsprozesse führen zu einer immer stärkeren Spezialisierung pädagogischer Einrichtungen und zugleich einer Ausweitung pädagogischer Aufgaben, die eine zunehmende Professionalisierung pädagogischer Tätigkeiten erfordert. Zu den zentralen pädagogischen Herausforderungen gehört, dass Heterogenität anerkannt und somit in ihren geschlechtlichen, kulturellen und begabungsbezogenen Dimensionen berücksichtigt werden muss. [...]
Der Unterricht im Fach Erziehungswissenschaft bezieht sich auf die Erschließung von Erziehungswirklichkeit und die darauf bezogenen Theorien. [...] Schülerinnen und Schüler sollen ein verlässliches erziehungswissenschaftliches Orientierungswissen erwerben, das die Pluralität verschiedener Ansätze und Erziehungsbegriffe aufgreift [...]. Auf der Grundlage dieses Orientierungswissens sollen die Schülerinnen und Schüler pädagogische Handlungsfelder, Handlungsbedingungen und Möglichkeiten pädagogischen Handelns kennenlernen und ein Bewusstsein für Konsequenzen und Dilemmata pädagogischen Handelns entwickeln [...]. Auf diese Weise ist es möglich, Bereitschaft zu verantwortlichem pädagogischen Handeln vorzubereiten und die Urteils- und Entscheidungsfähigkeit zu stärken.
Eine Besonderheit des Unterrichts im Fach Erziehungswissenschaft besteht darin, dass Schülerinnen und Schüler als Erzogene und als in Erziehungs- und Bildungsprozesse noch eingebundene Subjekte ihre alltagsweltlichen Erfahrungen und Vorverständnisse immer schon in die Erarbeitung von Begriffen und Theorien einbringen. [...] Die Auseinandersetzung mit erziehungswissenschaftlichen Themen trägt zur Selbstreflexion und damit in besonderem Maße zu einer dem Ziel der Mündigkeit verpflichteten Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler bei. [...].