Die Uhr zeigte 4.30 Uhr, als unsere Wecker uns in der Masada-Jugendherberge (Israel am Toten Meer) aus unseren Betten klingeln. Noch ganz benommen vom Schlaf treten wir in die Dunkelheit, bewaffnet mit Taschenlampen. Heute steht der Masada-Aufstieg mit anschließendem Genießen des Sonnenaufgangs an der Spitze des Berges an. Wir leuchten in die Dunkelheit und beginnen um kurz nach 5 Uhr mit einem noch eher ebenen Weg in Kurven zu laufen, wild wird mit den Taschenlampen hin-und-her geleuchtet und sich unterhalten. Der Weg wird steiler, die Dunkelheit hält an; überprüfende Blicke zur noch immer ewig weit entfernt scheinenden Bergspitze. Inzwischen sind es keine Wege mehr, auf denen wir laufen, sondern Steinstufen. Breit und hoch sind sie.
An den überwiegenden Teilen ohne Geländer ist es oft rutschig und gefährlich, wir bewegen uns immer mehr nach innen, aber der Blick ist weiter gerade auf den Boden gerichtet. Eine Stufe nach der anderen, linker Fuß, rechter Fuß, linker Fuß, rechter Fuß. Man denkt kaum noch, man läuft einfach nur noch in die Fußstapfen der Person, die dicht vor einem herläuft, einen Fuß vor den anderen, eine Stufe nach der zuvor. Immer wieder setzt man sich auf einen der Steine, die Menschen ziehen an einem vorbei, andere setzen sich ebenfalls. Die Erschöpfung ist in den Gesichtern klar zu erkennen. Gegen 6.30 Uhr brauche ich mit zwei Freundinnen meine längste Pause, langsam erkennt man die ersten Sonnenstrahlen hinter den Bergen aufglitzern.
Unsere Beine tragen uns die letzten Meter unter schwerem Atem nach oben. Unser Geist scheint weit weg zu sein. Zeitgleich mit dem Sonnenaufgang erreichen wir die Plattform. Noch nicht bei Kräften suchen wir uns einen Platz auf den Steinmauern, welche einen weiten Blick über das Tal zu den Bergen bieten, hinter denen die Sonne langsam ihr Gesicht zeigt. Niemand spricht. Wir sehen in die Weite, glücklich über jede einzelne Stufe, die wir hinter uns haben, und über das, was wir jetzt erblicken dürfen. Wir lächeln uns an, kommen langsam wieder zur Besinnung und sitzen einfach auf den Mauern und lassen die Zeit verstreichen, während die Sonne die Berge hochklettert. Es hat sich soo gelohnt!!!
Doch nicht nur der Sonnenaufgang auf der Masada wird uns allen in Erinnerung bleiben, sondern auch viele andere Erlebnisse: Wir waren erschüttert von dem Besuch in Yad Vashem und den Zeitzeugengesprächen, die uns mit den Geschehnissen im Nazideutschland konfrontiert haben; wir waren fasziniert von dem besonderen Charakter Jerusalems und den heiligen Stätten; wir waren begeistert von der Schönheit der Natur in der Wüste und den Oasen und im Korallenriff; aber geradezu gerührt waren wir von der Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit in den Familien unserer Austauschpartner in Tirat Carmel, wo wir ein paar Tage teilnehmen konnten an dem Alltag in israelischen Familien mit seinen Shabatfeiern, der besonderen Ernährung und dem starken Familiensinn.
Franziska Becker